Ernährungsberaterin Carolin Kotke gibt Tipps zur Ernährung bei Krebs

"Eat well, feel better"-Interview

Carolin Kotke ist Ernährungsberaterin, Healthy Living Bloggerin und Brustkrebs-Aktivistin. Im Jahr 2017 erkrankte sie an Brustkrebs. Seitdem hat sich ihr Leben drastisch geändert. Mit ihren Artikeln, Seminaren und Rezepten möchte sie Menschen für einen gesünderen und bewussteren Lebensstil motivieren. Im Gespräch mit ihr erzählt sie uns, wie ihr eine ausgewogene Ernährung durch ihre Krebsgeschichte half und ihr ein neues Körpergefühl bescherte, das sie nicht mehr missen will.

Für dich stand nach deiner Brustkrebsdiagnose fest: Ich will eine Ernährungsweise finden, die mir genügend Kraft für die Krebstherapie bringt. Erzähl mal, warum dir die Ernährung damals wie heute so am Herzen liegt.

Nach den ersten Chemotherapie-Sitzungen merkte ich, wie mein Körper immer mehr abbaute und ich immer schwächer wurde. Ich wollte selbst etwas unternehmen und mein Wohlbefinden stärken. Ich habe mich dann sehr intensiv mit der Ernährung bei Krebs auseinandergesetzt und vieles ausprobiert. Schließlich bemerkte ich, wie es mir wegen der Ernährungsumstellung immer besser ging und ich mehr und mehr mit all den Nebenwirkungen zurechtkam. Auch jetzt nach der Therapie durfte ich ein ganz neues Körpergefühl feststellen. Ich wurde relativ schnell wieder fit, die Wundheilung nach meinen Operationen verlief viel besser und Probleme wie meine Gräserallergie, Lebensmittelunverträglichkeiten und Neurodermitis, die ich bisher hatte, waren auf einmal Vergangenheit. Ein Jahr nach Beendigung der Therapie war ich das erste Mal in meinem Leben frei von alledem. Meine Haut und Haare waren fast noch besser als vor der Krebstherapie. Ernährung bewirkt etwas in uns, wenn wir nur wissen wie.

Beim Thema Krebs und Ernährung gibt es viele Ratschläge von allen Seiten. Wie hast du es geschafft, eine Ernährung entsprechend deiner Bedürfnisse zu finden? Hast du Tipps für Patienten inmitten einer Krebstherapie zur Stärkung des Immunsystems?

Anfangs war auch ich überfordert. Nach vielen Versuchen habe ich mich dann am Ende frei von all diesen Ratschlägen gemacht und einfach mehr auf meinen Körper gehört. Der hat mir eigentlich schon recht deutlich gesagt, was er benötigt. Man muss all die Zeichen seines Körpers eben nur richtig wahrnehmen und verstehen lernen. So habe ich für mich beschlossen, dass mein Körper keine bestimmte Ernährungsweise benötigt, sondern erst einmal die richtigen Nährstoffe, die ihn stärken und gut durch die Behandlung bringen. Die richtige Wahl ist hier auf jeden Fall eine gesunde und ausgewogene Ernährung, die frei von jeglichen Zusatz- und Konservierungsstoffen ist. Je natürlicher die Lebensmittel und je kürzer die Zutatenliste desto besser sind die Lebensmittel für uns und unseren Körper. Obst und Gemüse sollten statt Beilage als Hauptzutat in unserem Essen angesehen werden.

Du selbst vertraust auf eine basenüberschüssige Ernährung. Erklär uns doch mal, wie sich eine solche Ernährung auszeichnet und lass uns mal beispielhaft einen Tag an deinen Mahlzeiten teilhaben.

Bei der basischen Ernährung stehen überwiegend basische Lebensmittel und gute säurebildende Lebensmittel auf dem Speiseplan, damit unser Organismus mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt und unsere Organe unterstützt und entlastet werden. Diese Ernährung stellt so eine Balance aus Säuren und Basen her. Die Balance kann durch viele äußere Einflussfaktoren wie die vermehrte Aufnahme säurespendender und -erzeugender Nahrung sowie regelmäßige Einnahme von Medikamenten herausgefordert werden, so dass unser Körper übersäuert. Insbesondere nach einer Chemotherapie befindet sich der Körper in einer akuten Übersäuerung. Daher gilt es hier, den Körper mit reichlich Basen und wichtigen Nährstoffen zu stärken und langsam (!) zu entgiften.

Bei meinen Mahlzeiten probiere ich immer darauf zu achten, reichlich Obst und Gemüse zu mir zu nehmen. Mein Frühstück startet meist mit einem Porridge bzw. Haferbrei mit ein paar Früchten. Mittags gibt es z. B. eine bunte Gemüse-Bowl mit Zucchini, Paprika, Gurke, Karotte, Spinat, Apfel und Quinoa, Hirse oder Reis. Abends mache ich mir gerne Ofengemüse mit Kartoffeln, Kichererbsen, Rote Beete und ein paar Karotten - eben ganz nach dem Motto „eat the rainbow“. Mein absolutes Lieblingsessen ist aber Lachs mit Brokkoli und Kartoffeln. Zudem bin ich ein großer Fan von Kohl-Gemüse geworden, welches super nährstoffreich ist. Ansonsten kann ich es empfehlen, Gemüse nur leicht anzudünsten oder dampfzugaren. So bleiben die Nährstoffe erhalten und es wird bekömmlicher.

Für Krebspatienten kann eine erhöhte Eiweißzufuhr sinnvoll sein, da Eiweiße u.a. Krankheitserreger abwehren, die Muskelfunktion erhalten und defekte Zellen reparieren. Welche Lebensmittel nutzt du im Rahmen deiner basischen Ernährung als Eiweißquellen?

Im Rahmen der basischen Ernährung wird eher auf tierisches Eiweiß verzichtet. Generell lautet die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) auch maximal 300-600 g Fleisch pro Woche zu sich zu nehmen. Ich habe Fleisch komplett aus meiner Ernährung entfernt, esse die Woche aber gern 1-2x einen guten Bio-Fisch, der mir wertvolle Omega-3-Fettsäuren und Proteine liefert. Ansonsten gibt es zahlreiche Gemüsesorten, die eiweißreich sind wie z.B. Pilze, Spinat, Bohnen, aber vor allem auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Linsen, die ich gern in meine Ernährung integriere.

Ist es möglich, mit der basenüberschüssigen Ernährung den täglichen empfohlenen Eiweißbedarf zu decken?

Laut der DGE sollten wir täglich ca. 0,8 g Proteine pro Kilogramm Körpergewicht zu uns nehmen. Das sind ca. 20 % unserer täglichen Kalorienbilanz. Bei Krebspatienten ist der Proteinbedarf sogar erhöht. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin sowie die der Europäischen Gesellschaft für klinische Ernährung und Metabolismus (ESPEN) für Krebspatienten empfehlen z. B. eine Proteinzufuhr von 1,5 g pro Kilogramm Körpergewicht, bei ausgeprägten Entzündungen oder Wunden sogar bis zu 2 g. Mit der richtigen Auswahl an pflanzlichen Proteinquellen kann dies auch im Rahmen einer basenüberschüssigen Ernährung erreicht werden.

Manche Krebsdiäten raten, auf Kohlenhydrate und Fette zu verzichten. Warum ist es aber vor allem für Krebspatienten so wichtig, alle Makronährstoffe ausgewogen zu sich zu nehmen? Welche Fette und Kohlenhydrate integrierst du in deine tägliche Ernährung?

Bei Kohlenhydraten und Fetten kommt es auf die richtige Auswahl an. Klar sind Pizza, Nudeln und Zucker nicht gerade nährstoffreich, aber es gibt hervorragende Alternativen. Ich empfehle immer auf Zuckeralternativen wie Datteln, Kokosblütenzucker oder Honig zu setzen und statt Weizenprodukten mehr ballaststoffreiche Vollkornprodukte in die Ernährung zu integrieren. Die Studienlage besagt z. B., dass ein vermehrter Konsum von Ballaststoffen das Risiko für vielerlei Krankheiten senken kann. Ballaststoffe finden wir neben Vollkornprodukten auch in Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen.

Nüsse und Samen liefern uns zudem auch wertvolle gesunde, ungesättigte Fettsäuren, von denen wir gern mehr zu uns nehmen können. Stattdessen sollte auf gesättigte Fettsäuren wie z. B. in Backwaren, Pommes, Pizza, Butter und verarbeitetem Fleisch wie Wurst eher verzichtet werden.

Am Ende macht es die richtige Balance der Lebensmittel aus. Je bunter und ausgewogener, desto besser. Eine sehr einseitige Ernährung führt hingegen schnell zu einer Mangelernährung. Zum Zeitpunkt der Diagnose leiden viele Patienten bereits unter einem akuten Nährstoffmangel.

Inmitten einer Strahlen- oder Chemotherapie leiden viele Patienten unter Appetitlosigkeit, Übelkeit, Energie- und Antriebslosigkeit. Gibt es bestimmte Lebensmittel, die dagegen helfen können und so einer möglichen Mangelernährung entgegensteuern?

Um eine Mangelernährung zu verhindern und gleichzeitig genügend Nährstoffe und Kalorien zu sich zu nehmen, ist es zu empfehlen, mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich zu nehmen und insbesondere auf gute Fette und Proteine zu setzen. Zudem können Bitterstoffe in bitteren Lebensmitteln wie Kohl, Auberginen, Sesam, Radieschen, grünem Blattgemüse oder Gewürzen wie Ingwer und Zimt appetitanregend wirken. Ingwer kann auch helfen, um der Übelkeit entgegenzuwirken. Ich habe Ingwer damals am liebsten als Tee zu mir genommen. Das hat mir z. B. auch gegen den für die Chemotherapie typischen metallischen Geschmack im Mund sehr gut geholfen.

Für manche ist die Umsetzung einer gesunden Ernährung nicht so einfach, vor allem zu einer Zeit, die emotional sehr belastend sein kann. Wie machst du Ernährung Anderen auf schöne Art und Weise schmackhaft?

Mir ist es immer wichtig, den Leuten nahezulegen, dass sie für eine gesunde Ernährung eigentlich auf nichts verzichten, sondern in den meisten Fällen nur gesündere Alternativen finden müssen. Von heute auf morgen die Ernährung komplett umzustellen, ist absolut nicht zielführend. Eine Ernährungsumstellung sollte Spaß und Lust auf mehr machen. Wenn man Stück für Stück merkt, wie das Finden von Alternativen und ein neuer Blickwinkel auf die Lebensmittel zu seinem Wohlbefinden und einem besserem Körpergefühl beiträgt, dann kommt auch der Spaß. Nur sollte man eben klein anfangen, vielleicht jede Woche mal wieder etwas anpassen und Neues ausprobieren.  Man muss nur erstmal Geduld haben und darf keine Wunder von heute auf morgen erwarten.

Ein gesundes, leckeres Frühstück kann motivieren, trotz Appetitlosigkeit am Ball zu bleiben und den Körper täglich mit wichtigen Nährstoffen für die Krebstherapie zu unterstützen. Auf welches Frühstücksrezept kannst und willst du nicht mehr verzichten?

Während der Krebstherapie habe ich Porridge für mich entdeckt und kann mir meinen Morgen mittlerweile nicht mehr ohne warmen Frühstücksbrei vorstellen. Ein Frühstücksbrei aus Haferflocken, Nüssen und Samen sowie Früchten macht nicht nur ausreichend satt, sondern versorgt den Körper auch mit zahlreichen gesunden Nährstoffen, guten Ballaststoffen und ist zudem gut verträglich, insbesondere während der Chemotherapie. Ich werde jeden Morgen kreativ und kombiniere Beeren, Schoko und mittlerweile sogar verschiedene Obst- und Gemüsesorten. Porridge eignet sich nämlich hervorragend, um schon morgens die erste Portion Gemüse zu sich zu nehmen. Perfekte Gemüse-Sorten für Porridge sind z. B. Karotte, Zucchini, Süßkartoffel oder Kürbis. Mein Favorit für alle Krebspatienten: Apfel-Karotten Porridge mit Zimt und Ingwer. Haferflocken und Leinsamen sorgen für die guten Ballaststoffe, Ingwer und Zimt können appetitanregend wirken und gegen die Übelkeit helfen und die klein geriebenen Apfel- und Karotten-Stücke liefern ausreichend Nährstoffe und sind hilfreich bei Magen-Darm-Problemen, insbesondere Durchfall.

Zutaten:

  • 40 g Vollkorn-Haferflocken
  • 150 ml Wasser oder Pflanzenmilch
  • 1 Karotte
  • 1/2 Bio-Apfel
  • 1-2 Datteln
  • 1 TL Leinsamen
  • 1 TL Ceylon-Zimt
  • etwas Ingwerpulver
  • 1 Prise Salz
  • Etwas Mandeln, Mandelmus und Hanfsamen als Topping

Zubereitung:

1. Die Vollkorn-Haferflocken mit etwas heißem Wasser oder warmer Pflanzenmilch übergießen und umrühren, bis eine schöne breiige Konsistenz entsteht.

2. Nun die Datteln, die Karotte und den halben Apfel in einem Mixer zerkleinern oder alternativ in kleine Stückchen schneiden und zusammen mit dem Ingwerpulver, Zimt, Leinsamen und einer Prise Salz zum Brei dazugeben und unterrühren. (Tipp: gern etwas Apfel für die Deko übriglassen).

3. Nun den Brei mit den Hanfsamen, Mandeln, Mandelmus sowie den Apfel-Stücken dekorieren und schmecken lassen.

Seit deiner Krebsdiagnose lebst du bewusster und unbeschwerter. Was ist dein Geheimrezept für ein erfülltes und glückliches Leben? Wie gelingt es, sich das Lachen trotz Krebs zu bewahren und sich täglich für sich selbst und seine Gesundheit einzusetzen?

Die Krebsdiagnose hat bei mir zu einem kompletten Umdenken geführt. Ich habe mein bisheriges Leben bzw. Lebensweise in Frage gestellt und vieles verändert. Ich habe meinen alten Job aufgegeben, mich als Ernährungsberaterin selbständig gemacht, bin von der Großstadt aufs Land gezogen und probiere im Hier und Jetzt zu leben und mit der Vergangenheit abzuschließen. Ich versuche seither viel mehr auf meinen Körper und mein Bauchgefühl zu hören und mich nicht mehr zu sehr von äußeren Faktoren beeinflussen zu lassen. Das Leben ist zu kurz und das habe ich auf harte Weise durch die Krebsdiagnose erfahren müssen. Mittlerweile möchte ich mein Leben so gestalten, dass ich am Ende positiv darauf zurückschauen kann und stolz darauf sein kann, was ich alles geschaffen habe. Ich will mir später nicht sagen „Ach hätte ich nur…“. All die positiven Dinge im Leben und Ziele, die ich mir gemacht habe, haben mir sehr geholfen, gut durch die Chemotherapie zu kommen. Wichtig ist es nur, realistische Ziele zu haben und diese für sich zu machen und nicht für andere Menschen. Das kann z.B. ein lange unerfüllter Traum wie eine Reise, ein Hobby oder ein sonstiges Ereignis im Leben, welches man bisher vielleicht so vor sich hergeschoben hat, sein.

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